Bei Univent Medical erreichen uns seit den sehr beunruhigenden Nachrichten zu den ukrainischen Kernkraftwerken zahlreiche Anfragen. Es geht um den Schutz, den FFP-Masken zum Beispiel nach einem Kraftwerksunfall und somit bei einer so genannten radiologischen Notlage, bieten können.
Stellungnahme:
FFP-Masken schützen grundsätzlich vor partikelgetragenen Stoffen in der Atemluft. Die nach einem Kraftwerksunfall zu messenden Partikel, die zum Beispiel mit einer Wolke nach Deutschland wehen könnten, sind deutlich größer als zum Beispiel Corona-Viren. Sie werden damit zuverlässig gefiltert und gelangen so nicht über die Atemwege in den Körper. Deshalb wurden und werden im weiteren Umfeld havarierter Kraftwerke wie Tschernobyl oder Fukushima entsprechende Masken vom Personal getragen. Grundsätzlich gilt angesichts der Partikelgröße, dass die Nutzungsdauer der FFP-Masken bezüglich der Filtereigenschaft nicht eingeschränkt ist. Zu beachten dürfte aber eine Anreicherung strahlenbelasteten Materials in der Maske sein. Daten dazu liegen uns allerdings nicht vor. Offensichtlich ist, dass beim Absetzen der Maske besodere umsicht notwendig ist und sie entsorgt werden muss. Auf keinen Fall darf eine kontaminierte Maske in ein Gebäude mitgeführt werden.
Hintergrund:
Das, was sich viele Bürger angesichts der Kampfhandlungen in unmittelbarer Nähe ukrainischer Kernkraftwerke in Folge des russischen Überfalls fragen, wurde 2018 von der Strahlenschutz-Kommission (SSK) untersucht, nachdem Daten mehrjähriger Forschung unter anderem aus Fukushima verfügbar waren. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) hatte zu speziellen Aspekten des Notfallschutzes in Zusammenhang mit FFP-Masken einen Prüfauftrag vergeben. Die Untersuchung der SSK befasste sich damit, ob und unter welchen Umständen das Instrumentarium der frühen Schutzmaßnahmen um die Anwendung von partikelfiltrierenden Halbmasken erweitert werden sollte. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass FFP-Masken im frühen Schutzstadium vor allem ergänzende Wirkung zugesprochen wird.
Untersuchung der Strahlenschutz-Kommission:
Grundsätzlich ist nach Auffassung der Strahlenschutz-Kommission des Bundes festzustellen, dass FFP-Masken in bestimmten Fällen das Schutzniveau erhöhen können, weitere Maßnahmen des Notfallschutzes aber zunächst einmal wichtiger sind. Absolute Kernmaßnahme ist die sogenannte Iod-Blockade der Schilddrüse durch Einnahme von Tabletten mit stabilem Kaliumiodid. Hier ist die Datenlage aus bisherigen radiologischen Notfällen absolut eindeutig: Die größte Gefahr nach einer Kraftwerkshavarie geht von radioaktivem Iod aus, das sich in der Schilddrüse anreichert. (Hinweis: In diesem Text wird die internationale und wissenschaftliche Schreibweise Iod statt Jod genutzt).
Die Iodblockade zusammen mit Evakuierung und Aufenthalt in Gebäuden stellen demnach die wirksamste Methode zur Vermeidung hoher Schilddrüsendosen durch Inhalation von radioaktiven Iodisotopen dar. Aber: Wenn eine oder mehrere dieser drei Maßnahmen nicht gegeben oder umsetzbar sind, etwa weil keine Kaliumiodid-Tabletten verfügbar sind, können FFP-Masken einen gewissen Schutz bieten. Dies gilt insbesondere bei Cäsium und Tellur sowie bei weiteren längerlebigen Radionukliden.
Anders sieht es im weiteren Verlauf einer Notfallsituation aus, vor allem wenn es um andere Radionuklide als Iod und um die grundsätzlichen Filtereigenschaften von FFP-Masken geht.
- Folgend einzelne Empfehlungen der SSK im Wortlaut:
1. „Bei radiologischen Notfällen kann die Inhalation von partikelgetragenen Radionukliden durch FFP3-Atemschutzmasken effizient reduziert werden (Schutzfaktor 30). FFP3-Atemschutzmasken können daher sinnvoll sein, wenn eine Exposition durch partikelgetragene Radioaktivität anzunehmen ist. FFP3- Atemschutzmasken ist der Vorzug vor FFP1- und FFP2-Atemschutzmasken zu geben, da letztere deutlich geringe Schutzfaktoren (FFP1: 4; FFP2: 10) aufweisen. Keine der FFP-Atemschutzmasken bietet jedoch relevanten Schutz gegen gasförmige Radionuklide, insbesondere gegen gasförmiges oder organisch gebundenes radioaktives Iod.“
2. „FFP3-Atemschutzmasken sind in jedem Fall wirksam gegen andere partikelgebundene Radionuklide, d. h. vor allem Cs-134/137, Tellurisotope sowie andere längerlebige Radionuklide.“
3.: „Für Einsatz- und Hilfskräfte, die in der Benutzung von FFP3-Atemschutzmasken unterwiesen oder geschult sind, sind FFP3-Atemschutzmasken sinnvoll anwendbar, wenn mit partikelgetragener Radioaktivität zu rechnen ist. Dies gilt z. B. während des Durchzugs einer radioaktiven Wolke und bei stark staubenden Reinigungs- oder Sanierungsmaßnahmen.“
Ergänzung von Thomas Vosseler, Geschäftsführer Univent Medical GmbH und Experte für FFP-Masken:
„Die Empfehlung der SSK für FFP3-Masken begründet sich aus unserer Sicht nicht durch die verbesserte Filterleistung einer FFP 3-Maske, sondern durch die im Prüfverfahren geforderte geringere Leckage. Die beträgt bei FFP 2-Masken 8% und bei FFP 3-Masken lediglich 2%. Die Filterleistung von FFP 2-Masken ist bei partikelgetragenen Radionukliden in jedem Fall ausreichend. Die Ineffizienz des Prüfzyklus von FFP 2-Masken ist hier erklärt.Es ist daher wichtig festzustellen, dass es für den Schutz vor Radionukliden filtertechnisch unerheblich ist, ob FFP 2 oder FFP 3-Masken verwendet werden, entscheidend ist die konkrete Passform der Maske beim Träger.